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Elise, shut up!

Ein Video Projekt von Dana Widawski mit einer Komposition von Andreas F. Staffel zum Beethovenjahr 2020

Ein Pianist und Hände an sechs Spieluhren liefern sich ein Duell um und mit Beethovens - bis zum Überdruss kopierter - Melodie ‚Für Elise‘. Die Spielwerke stecken in Konsolen, die jeweils anonymisierte Büsten berühmter Komponisten tragen. Beethoven selbst lässt sich in diesem Ensemble nur hören. In 6 Variationen wird seine verkommerzialisierte Bagatelle analog und digital liebevoll gestreichelt, verdreht, zerhackt und ganz sanft zu Grabe getragen. Das Videoprojekt ‚Elise, shut up!‘ ist ein Dialog zwischen Dana Widawskis klingenden Skulpturen und Andreas F. Staffels Komposition, der sich sehen und hören lassen kann.

Dana Widawski: Idee/Konzept, Kamera, Ton
Andreas Staffel: Komposition und Piano-Einspielung, Ton
Anja Widawski: Live-Einspielung der Spieluhren
Frank Bertram: Kamera, Videoschnitt

HD ·  9:15 Min.

Link zu den Skulpturen:  Link:internTribute to Beethoven

Das Video kann im Internet oder Fernsehen gestreamt oder/und als Installation mit den Skulpturen gezeigt werden, so auch als Live- Performances mit Klavier und Videoprojektion (Videoversion ohne Klavier).

Release von "Elise, shut up!" - Dana Widawski und Andreas F. Staffel antworten Ernst Ludwig von Aster

Diskussion und Vorstellung des Videoprojektes 'Elise, shut up!" von Dana Widawski und Andreas F. Staffel zum Beethovenjahr 2020/2021, live aus dem Musikstudio Ohrpheo (Berlin) am 22.01.2021. Interviews/Moderation: Ernst Ludwig von Aster (Journalistenbüro Grenzgänger, u.a. Deutschlandradio, SWR2, BR24 )

ZUM PROJEKT »ELISE, SHUT UP!«

Angehende Klavier-Virtuosen kommen - zur Freude der Eltern – an Beethovens Bagatelle „Für Elise“ nicht vorbei, egal, ob sie nun eine digitale Smartphone-App oder einen analog unterrichtenden Klavierlehrer favorisieren. Ebenso beliebt sind die Anfangsakkorde als Telefon-Warteschleife, besonders apart erklingen sie auf Baustellen aus Akku-Ladegeräten, in Konkurrenz zu den „besten Hits aller Zeiten“ aus dem Radio. Etwas angenehmere Variationen sind in Pop- und Rocksongs zu finden oder in Soundtracks nicht weniger Filme, beispielsweise von Billy Wilder, Visconti und Tarantino.

Die GEMAfreie Nutzung macht es möglich und ist sicherlich ein Grund für ihre populäre Verbreitung. Ein weiterer, nicht unerheblicher, liegt in der Melodie selbst, denn „Für Elise“ ist so perfekt in Harmonie und Schönheit arrangiert, dass selbst eine nach Algorithmen komponierende Software vor Neid erblasst. Der eingängige Anfang des komplexen Stücks bedient lizenzfrei die Sehnsucht nach Melancholie und ist verkommerzialisiert zur Volksmelodie ohne Angabe des Urhebers mutiert.

Die Frage nach der Urheberschaft der Melodie wird von Dana Widawski mit ihren Spieluhr-Skulpturen „Tribute to Beethoven“  – selbst im Beethovenjahr 2020 –  ignoriert. Sechs Porzellan-Büsten unterschiedlicher Komponisten stehen auf fein gearbeiteten Keramikkonsolen, keine davon gleicht Beethoven. Mit einem Balken vor den Augen und dem Schriftzug ‚incognito‘ versehen, bleiben die Herren anonym. Die in den Konsolen eingebauten Walzen-Spielwerke spielen -alle- ‚Für Elise‘. Um die Verselbstständigung der Melodie noch mehr auf die Spitze zu treiben, beauftragte die Berliner Künstlerin den Komponisten und Pianisten Andreas F. Staffel mit einer Komposition für ihre sechs klingenden Skulpturen und ein Piano. Aus der Fusion von Musik und Skulptur entstand ein eigenständiges Videokunstwerk mit dem Titel „Elise, shut up!“.

Staffels Komposition lässt Piano und Spieluhren in sechs Variationen gegeneinander antreten. Wirkt dies anfangs noch dialogisch, steigert sich der Konflikt zu einem Akt der Gewalt ... Halts Maul! Stille. Dem erneuten Aufbegehren folgt ein Abgesang. Spiel mir das Lied vom Tod. Am Ende wird die Melodie in einem Decrescendo-Kanon zu Grabe getragen bis hin zur absoluten Auflösung in ihre Einzelteile.

Widawski setzt die Komposition visuell auf minimalistische Weise um. Auch in der Bildkomposition des Videos sind die Fronten klar definiert. Im unteren Drittel der Projektionsfläche ist eine Pianoklaviatur von oben zu sehen, darüber zwei Reihen mit jeweils drei Büsten mit ihren Konsolen. Der Komposition folgend, werden die Spieluhren von weiß behandschuhten Händen gespielt und sind als eigene Stimmen hör- und sichtbar, während zugleich die Hände des Pianisten den Klavierpart absolvieren. Zusätzlich kommen Sounds digital manipulierter Spieluhren zum Einsatz, die jedoch im Video wie analog eingespielt wirken. Die visuelle und akustische Vermischung der unterschiedlichen Klangebenen erzeugt eine Irritation, bei der nicht mehr eindeutig nachvollziehbar wird, aus welcher Quelle die Melodie jeweils gespeist wird.

Der Nachklang geht über das Schweigen der „Elise“ hinaus, denn Widawskis und Staffels Fusion ihrer Künste, könnte weitere Projekte nach sich ziehen.

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